Online Glücksspiel in Deutschland ab Juli 2021 legal

In Zukunft sind Online Glücksspiele in Deutschland legal und offiziell zugelassen. Darauf haben sich die Bundesländer in einem neuen Beschluss geeinigt. Damit geben die zuständigen Behörden nun grünes Licht für die wachsende Branche und ihre große Spielerzahl. Rechtfertigt wird dieser Schritt durch verschiedene Regulierungen, die dafür in Kraft treten sollen.

In ihrem Entwurf zum „Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag“ haben sich die Länder auf knapp 70 Seiten auf eine neue Regelung geeinigt. Ab Juli 2021 wird sich die rechtliche Situation des Glücksspiels in Deutschland damit entscheidend ändern. Eine deutsche Glücksspiellizenz wird dann an Online Casinos ausgegeben, sofern ein Spiellimit von 1.000 Euro pro Monat und Spieler sowie ein Sperrsystem eingeführt werden. Damit soll die Regulierung des großen Graubereichs endlich gelingen und dem aktuellen Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen ein Ende machen.

Ende eines Dilemmas im Föderalstaat

Doch warum war es überhaupt notwendig geworden, einen neuen Staatsvertrag auf den Weg zu bringen? Verantwortlich dafür war der Boom von nicht regulierten Glücksspielen in den vergangenen Jahren. Für deutsche Behörden waren die Anbieter nicht zu fassen, denn sie verlegten ihren Hauptsitz geschickt in andere EU-Staaten, in denen Glücksspiel per se erlaubt ist. Auf diese Weise wurde das Spiel auch in Deutschland geduldet, konnte jedoch nicht unter staatliche Kontrolle gebracht werden.

Malta und Gibraltar verfügen bis heute über ein sehr freizügiges Glücksspielgesetz. Moderne Online Casinos nutzen diese Lücke aus, um dort ihren Geschäftssitz anzumelden. Trotzdem sind sie dazu in der Lage, über das Internet Verbraucher in Deutschland anzusprechen. Dem deutschen Staat dürfte dies nicht nur aufgrund fehlender Kontrolle missfallen haben. Auf der anderen Seite fließen auch die anfallenden Steuern nicht dem deutschen Fiskus zu. Mit dem neuen Staatsvertrag soll diese Lücke für die Zukunft eindeutig geschlossen werden.

Doch nicht nur andere EU-Länder stellten die bisher in Deutschland geltende Ordnung zusehends auf den Kopf. Auch Schleswig-Holstein ließ im bislang geltenden Staatsvertrag aus dem Jahr 2012 digitale Glücksspiele zu. Als einziges Bundesland öffnete die Landesregierung den Anbietern Tür und Tor. Viele Unternehmen nahmen dies als Freifahrtschein, um ihr Angebot auch an die Bürgerinnen und Bürger anderer Länder zu richten. Dieser Sonderstellung soll mit dem Glücksspielneuregulierungsstaatsvertrag ebenfalls die Wirkung entzogen werden.

De facto kommt es zu einer Legalisierung des Glücksspiels in den Online Casinos, das sich zuvor in einer Art rechtlicher Grauzone bewegte. Mit diesem Schritt in der Gesetzgebung soll es langfristig möglich sein, die Regulierung zu verbessern und damit Verbraucher richtig zu schützen. Unter dem Strich wird jedoch die Frage zu beantworten sein, ob der neue Staatsvertrag tatsächlich ausreicht, um die neuen Fronten in der gewünschten Art und Weise zufriedenzustellen.

Forderungen nach einer neuen gesetzlichen Regelung wurden zuletzt auch in der Forschung laut. Prof. Dr. Tilman Becker, der seit dem Jahr 2004 Geschäftsführender Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität in Hohenheim ist, äußerte sich in mehreren wissenschaftlichen Aufsätzen über die Notwendigkeit eines neuen Staatsvertrags. In seinem Beitrag „Zur Weiterentwicklung der Glücksspielregulierung“ forderte er unter anderem eine Verlustgrenze von 1.000 Euro, „die Schaffung einer bundesweiten Sperrdatei für Glücksspiele mit einem hohen Suchtgefährdungspotential“ und die „Einrichtung einer Glücksspielkommission“. Mit dem neuen Gesetzesentwurf wurden nun wichtige Schritte auf den Weg gebracht, um dem zu entsprechen.

Spielen unter strengeren Kontrollen

Doch wie wird sich das Spielen im Online Casino unter dem Einfluss des neuen Staatsvertrags verändern? Lange waren sich die Bundesländer uneinig, ob die Legalisierung des Online Glücksspiels der richtige Schritt aus Sicht des Gesetzgebers ist. Nach langen Verhandlungen konnte nun eine Einigung hinsichtlich der besonders wichtigen Auflagen erzielt werden, die künftig das Spiel beeinflussen sollen. Die wichtigsten neuen Regelungen, die ab Juli 2021 in Kraft treten werden, haben wir hier noch einmal zusammengefasst:

• Um Spieler vor den finanziellen Folgen der Glücksspielsucht zu schützen, wird ein monatliches Einzahlungslimit von 1.000 Euro festgesetzt. An eigenem Kapital kann künftig nicht mehr als dieser Betrag eingesetzt werden. Größere Freiheiten haben die Spieler mit zuvor erzielten Gewinnen. Hiermit darf ohne Anrechnung auf das Limit gespielt werden.

• Alle Spieler, die ein problematisches Spielverhalten an den Tag legen, werden künftig in einer zentralen Sperrdatei erfasst. Diese schließt künftig nicht nur klassische Spielhallen ein, sondern wird auf Online Casinos ausgeweitet. Das spielformübergreifende Sperrsystem soll den Zutritt betroffener Spieler unmöglich machen. Zuständig für die Führung und Kontrolle der Sperrdatei wird die Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslands sein.

• Wie in § 8a festgehalten, kann sich ein gesperrter Spieler frühestens nach drei Monaten wieder entsperren lassen. Dies soll die Motivation steigern, zukünftig spielfrei zu bleiben. Außerdem ist es in der Zwischenzeit möglich, eine Therapie zu beginnen.

• Online Casinos werden dazu verpflichtet, für jeden ihrer Kunden ein Spielerkonto einzurichten. Auch ein „automatisiertes System“ zur Früherkennung von gefährdeten Personen ist demnach Pflicht. Die zu den Spielern vorliegenden Daten müssen zu jeder Zeit für die zuständige Aufsichtsbehörde einsehbar gehalten werden, damit eine flächendeckende Kontrolle möglich wird.

• Hinzu kommt ein Werbeverbot für Glücksspiel in TV, Radio und Internet. Dieses soll aber nur zwischen 6 und 21 Uhr verbindlich sein. Zu besonders später Stunde ist es für die betreffenden Unternehmen weiterhin möglich, sich mit ihren Werbebotschaften an die Öffentlichkeit zu wenden.

Aus diesen Maßnahmen ergeben sich einige offizielle Ziele, welche die Neuregelung des Glücksspiels in greifbare Nähe rücken soll. Zum einen wird durch die Regulierung eine legale Alternative zu den bisherigen Online Casinos geschaffen. Auf diese Weise soll das Spiel auf dem Grau- und Schwarzmarkt in den nächsten Jahren stark eingedämmt werden. Die Spieler sollen die Wahl haben, ob sie sich für das Spiel auf einer nicht regulierten Seite entscheiden, oder doch zu einer offiziellen Adresse wechseln.

Die unter behördliche Aufsicht gestellte Alternative soll wiederum die Gefahr der Entwicklung von Spielsucht klar entgegenwirken. Gefährdete Spieler werden durch die zentrale Sperrdatei künftig leichter zu identifizieren sein. Problematisches Spielverhalten kann auf diese Weise sanktioniert werden, um die Spieler vor sich selbst zu schützen. Die Möglichkeit der Prävention soll auf diese Weise deutlich gestärkt werden, um einen besseren Zugriff zu erlauben.

Ein weiteres staatliches Ziel hat es hingegen nicht bis in den offiziellen Entwurf des neuen Vertrags geschafft. Die staatlichen Lotterien verlieren seit Jahren massiv an Zuspruch, was auch auf die Konkurrenz durch neue Online Casinos zurückgeführt werden konnte. Der milliardenschwere Markt bringt auf diese Weise immer weniger Steuereinnahmen für den Fiskus ein. In den nächsten Jahren soll diese Schieflage durch die neue Regulierung ausgeglichen werden. Um eine offizielle deutsche Glücksspiellizenz zu erhalten, müssten die Online Casinos einen Standort in Deutschland nachweisen. Damit sind sie automatisch in Deutschland steuerpflichtig und würden die entstandene finanzielle Lücke ausgleichen.

Einrichtung einer zentralen Glücksspielbehörde

Ein entscheidender Schritt für die Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelung liegt in der Einrichtung einer zentralen Glücksspielbehörde. Diese soll gewährleisten, dass sich die Spieler konsequent an den vorgegebenen rechtlichen Rahmen halten und damit die Gefahr der Sucht verhindert werden kann. Die zentrale Behörde soll auch die Aufsicht über die zentrale Datei übernehmen. Auch soll über entsprechende Maßnahmen beraten werden, die umgesetzt werden können, falls es zu Verstößen gegen die neuen Auflagen kommen sollte, die geahndet werden müssen.

Suchtberater halten Legalisierung für richtig

Die Reaktionen auf den neuen Staatsvertrag fielen bislang gemischt aus. Wie von der Tagesschau berichtet wurde, sprechen sich Suchtberater eher für die Legalisierung aus, die ab dem 1. Juli 2021 in Kraft treten soll. Schließlich würde die Legalisierung erst die Möglichkeit bieten, wichtige Maßnahmen für den Schutz der Verbraucher in die Tat umzusetzen. Bis dato war ein solcher staatlicher Einfluss auf die führenden Unternehmen der Branche überhaupt nicht möglich.

Die Alternative eines strikten Verbots des Glücksspiels im Internet sehen Experten hingegen kritisch. Mehrheitlich sind sie der Meinung, dass es ohnehin nicht möglich gewesen wäre, den Einfluss illegaler Online Casinos so weit zurückzudrängen. Angesichts der aktuellen Situation am Markt scheint diese Einschätzung sehr realistisch zu sein. Tatsächlich entstanden in den vergangenen Jahren hunderte neue Online Casino Seiten, die deutschen Spielern zur Auswahl zur Verfügung stehen. Eine konsequente Ahndung dieser Plattformen wäre mit den aktuellen Ressourcen kaum zu bewerkstelligen gewesen.

Aus diesem Grund sei die Legalisierung der Online Casino keineswegs eine Zustimmung zu den Machenschaften der Anbieter. Stattdessen mache der Staat einen wichtigen Schritt auf sie zu, um dadurch wieder die Kontrolle über diesen Sektor gewinnen zu können, so die Experten. Ob dieser Plan in dieser Form in die Tat umgesetzt werden kann, werden erst die Entwicklungen in den nächsten Jahren zeigen, die schon jetzt mit großer Spannung von allen Verantwortlichen erwartet werden.

Landesfachstellen fordern noch strengere Maßnahmen

Die Landesfachstellen für Glücksspielsucht, die sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, fordern derweil noch strengere Maßnahmen zur Regulierung. „Grundsätzlich ist zu begrüßen, den Glücksspielmarkt in Deutschland einheitlich zu regulieren“, wird das offizielle Statement noch eingeleitet. Dann folgt jedoch ein sehr kritischer Umgang mit der Spielsucht und dem in § 1 formulierten Ziel: “… das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen.“ Vielmehr würde versucht werden, eine weitere Liberalisierung des Marktes durchzusetzen, so die Meinung der Landesfachstelle M-V.
Grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten liegen zum Beispiel zu § 5 vor, der sich mit der Regulierung der Werbung für Online Glücksspiel befasst. Die Verantwortlichen sind der Meinung, dass ein Werbeverbot bis 21.00 Uhr nicht ausreichend ist, um dem Problem wirksam zu begegnen. Schließlich seien gerade Minderjährige um diese Zeit medial aktiv und würden die Werbebotschaften dadurch bereitwillig aufnehmen.
Auch das Limit von 1.000 Euro, das in § 6c präsentiert wird, ist den Verantwortlichen noch nicht streng genug. 1.000 Euro, so die Meinung der Verantwortlichen, seien eine zu hohe Summe, so die Einschätzung der Landesfachstelle. Gerade junge Menschen, die besonders häufig über ein problematisches Verhältnis mit dem Thema Glücksspiel verfügen, befänden sich oft noch in der Ausbildung und könnten mit einem so hohen Verlust nicht umgehen. Aus diesem Grund sind sie der Meinung, dass das Limit noch deutlich niedriger angesetzt werden müsse.
Auch zum § 8 a, der sich mit der Eintragung von Spielern in die Sperrdatei befasst, gibt es deutliche Kritik von dieser Seite. Grund dafür ist vor allem die Dauer der Sperre, für die ein Zeitraum von drei Monaten vorgesehen ist. Die Verantwortlichen sprechen sich dafür aus, die Sperre auf mindestens ein Jahr zu verlängern. Nur so sei es möglich, den Betroffenen genug Zeit zu geben, um das eigene Spielverhalten aufzuarbeiten und zu einem neuen gesunden Umgang zu finden. Das Risiko von Rückfällen sei per se zu hoch, wenn es die Verantwortlichen bei einer so kurzen Sperrzeit belassen würden. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Länder noch zu einer anderen Einigung finden können, um diese Streitfrage endgültig aus der Welt zu schaffen.
Auch abschließend wird im Bericht der Landesfachstelle deutlich, dass noch grundlegende Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. So zeigen sich die Verantwortlichen davon überzeugt, dass die Zahl der Spieler in Deutschland zunehmen wird und die neue Regelung nicht dazu in der Lage ist, den Markt einzudämmen. Besonders die fehlende soziale Kontrolle, die bei Glücksspielen im World Wide Web vorliegt, wird als Risikofaktor verstanden.
Ein vermehrtes Angebot, das zudem noch den Stempel der Legalität tragen darf, führt nach Meinung der Experten eher zu einer steigenden Attraktivität dieser Glücksspielform. Daraus leitet die Landesfachstelle die Forderung ab, dass die neuen Steuereinnahmen, die durch den vierten Glücksspielstaatsvertrag eingenommen werden können, zumindest zu einem bestimmten Anteil in eine wirksame Bekämpfung der Glücksspielsucht investiert werden, um dadurch echte Entlastung zu schaffen.

Legales Spielen, aber mit angezogener Handbremse?

Beide Seiten werden mit dem neuen Staatsvertrag nicht auf ganzer Linie zufrieden sein. Dennoch scheint es der einzig mögliche Kompromiss zu sein, der in dieser Lage in die Tat umgesetzt werden kann. Online Casinos sichern sich die Möglichkeit, künftig ganz legal in Deutschland aktiv sein zu dürfen. Dafür müssen sie sich zahlreichen neuen Auflagen unterwerfen, die in ihren Planungen bis dato keine Rolle spielten. Die neue Notwendigkeit, die monatlichen Einzahlungen der Spieler strikt zu limitieren, ist dabei nur ein Beispiel.

Der größte Vorteil dürfte auf der Seite der Spieler liegen. Diese müssen sich gar keine Sorgen mehr um die Legalität der Seiten machen, die sie für ihre Einsätze auswählen. Stattdessen macht in Zukunft die deutsche Glücksspiellizenz klar, dass eine sichere Anmeldung möglich ist. Auf Dauer liegt darin die Möglichkeit, das verruchte Image des Glücksspiels endlich hinter sich zu lassen und ein völlig neues Kapitel in der Entwicklung aufzuschlagen.

Nun können die Spiele zwar endlich beginnen, doch die internationale Presse spricht zurecht von „Slow Motion“. Bislang sind die Einschränkungen noch zu stark, um endlich von freier Fahrt sprechen zu können. Reformen, wie sie zuletzt in Frankreich, Italien oder Spanien in die Tat umgesetzt werden konnten, bleiben aus dem Grund wohl über das Jahr 2021 hinaus ein Vorbild für Deutschland.